Weihnachtsvorlesung 2021

1. Akt

Schenken ist bekanntlich das Schönste an Weihnachten, aber die richtigen Geschenke zu finden, kann manchmal sehr kompliziert sein. So sieht es auch der Meister der Alchemie, der seinen Lehrling kurz vor Weihnachten allein im Labor lässt, um auf Geschenkesuche zu gehen. Was kann dabei schon schief gehen?
Start der diesjährigen Weihnachtsvorlesungsreihe am 28. November 2021, ab 12.00 Uhr

Haben Sie folgende Anspielungen entdeckt?

Der 1. Akt unserer Weihnachtsvorlesung ist an die Ballade „Der Zauberlehrling“ von J. W. von Goethe angelehnt. Im Originaltext ist der Lehrling allein im Haus und verzaubert einen Besen, damit dieser ihm Wasser holt. Hochmütig ist er der Überzeugung, vom Meister schon genug dafür gelernt zu haben. Leider vergisst der Lehrling jedoch den Zauberspruch, mit dem er den Besen zum Aufhören bewegen kann. Das führt dazu, dass das ganze Haus überflutet wird. Der Lehrling versucht den Besen verzweifelt aufzuhalten, indem er ihn mit einer Axt in zwei Teile zerschlägt. Dadurch entstehen jedoch zwei Besen, die weiter Wasser holen. In seiner Verzweiflung ruft der Lehrling schließlich nach seinem Meister, welcher erscheint und den Zauber des Lehrlings rückgängig macht.

Weiterhin enthält der Akt eine Anspielung auf das Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“ von H. C. Andersen. Im Märchen klopft mitten in einem Sturm eine Prinzessin an das Tor eines Schlosses, um Unterschlupf zu finden. Da sie durch den Sturm nass und schmutzig ist, beschließt die Königin, sie zu testen, um herauszufinden, ob es sich um eine Prinzessin handelt. Dazu wird eine Erbse unter zwanzig Matrazen und Daunendecken gelegt, auf denen die Prinzessin schlafen soll. Als diese sich am nächsten Morgen beschwert, dass sie auf etwas Hartem geschlafen hätte, gilt ihre Identität als bewiesen.

Zum Schluss des Aktes findet sich außerdem ein Verweis auf die Ballade „Die Kraniche des Ibykus“ von F. Schiller. Im Original wird Ibykus auf einer Reise von zwei Mördern umgebracht. Mit letzter Kraft trägt er einem Kranichschwarm auf, über seinen Tod zu berichten. Dies tun die Kraniche, indem sie über ein Theater fliegen, wobei die Mörder die Vögel erkennen und sich dadurch selbst verraten.

Experiment 1: Farbige Flammen

Was sehe ich?

Sie sehen Spiritusbrenner, deren Flammen farbig brennen.

Warum sehe ich das?

In den Spiritusbrennern befindet sich Methanol, in welchem Natriumchlorid (gelbe Flamme), Lithiumnitrat (rote Flamme), Borsäure (grüne Flamme) oder Indiumchlorid (indigoblaue Flamme) gelöst wurde. Durch die hohe Temperatur während der Reaktion des Methanols mit dem Sauerstoff der Luft (also der eigentlichen Verbrennung) werden die Außenelektronen der Metallkationen thermisch angeregt und geben beim Übergang in den Ausgangszustand die zuvor aufgenommene Energie in Form eines, für das jeweilige Element charakteristisch gefärbten, Lichts wieder ab. Die grüne Flamme des Borsäure-Methanol-Gemisches resultiert aus der Bildung des Borsäuretrimethylesters, welcher mit einer grünen Flamme verbrennt.

\begin{align} 2 CH_3OH + 3 O_2 &\rightarrow 2 CO_2 + 4 H_2O + \Delta T (mit~ \Delta T = Wärme)\\ NaCl + \Delta T &\rightarrow Na\cdot + Cl\cdot\\ InCl_3 + \Delta T &\rightarrow In\cdot + 3 Cl\cdot\\ 2 LiNO_3 + \Delta T &\rightarrow 2 Li\cdot + 2 NO_2 + O_2\\ M\cdot + \Delta T &\rightarrow M\cdot ^* \rightarrow M\cdot + h\cdot \nu \\ (mit~M = Metall, & ^* = angeregter~Zustand~und~h\cdot \nu = Licht)\\ B(OH)_3­ + CH_3OH &\rightarrow B(OCH_3)_3 + 3 H_2O\\ 2 B(OCH_3)_3 + 9 O_2 &\rightarrow B_2O_3 + 6 CO_2 + 9 H_2O \end{align}

Verweise auf Literatur bzw. Interessantes

Durch die photometrische Analyse des emittierten Lichts einer Sphalerit-Probe (Zinksulfid) aus dem Freiberger Revier konnten Ferdinand Reich und Hieronymus Theodor Richter 1863 an der Bergakademie Freiberg das Indium aufgrund seiner intensiven Indigoblauen Spektrallinie als neues Element identifizieren.

Die Reaktion von Borsäure mit Alkoholen wurde früher als Nachweis für Methanol genutzt, da der sich ergebende Borsäuretrimethylester eine komplett grüne Flamme bei der Verbrennung zeigt. Die Borsäureester von Alkoholen mit einem größeren Kohlenstoffanteil (zum Beispiel der Trinkalkohol Ethanol) zeigen bei der Verbrennung eine gelbliche Flamme mit grünem Saum, da der Kohlenstoff nicht vollständig zu Kohlenstoffdioxid oxidiert wird und die Rußpartikel in der Flamme gelb glühen. So kann Methanol in gepanschtem Trinkalkohol nachgewiesen werden.

Experiment 2: Versilbern und Verkupfern von Kolben

Was sehe ich?

Links:
Sie sehen wie, sich in einem Glasrundkolben in der Hitze einer Brennerflamme aus einer zu Beginn grünlichen Lösung elementares Kupfer an der Kolbenwandung abscheidet.

Rechts:
Sie sehen, wie sich in einem Glasrundkolben in der Hitze einer Brennerflamme aus einer zu Beginn hellen Lösung elementares Silber an der Kolbenwandung abscheidet.

Warum sehe ich das?

Links:
Es findet eine Redoxreaktion statt, bei der Hydrazin (\(N_2H_4\)) einer Disproportionierung unterliegt und Kupfer(II)-Ionen als Oxidationsmittel dienen. \[2 N_2H_4 + Cu^{2+} + 2 Ac^- \rightarrow N_2 + 2 NH_3 + Cu + 2 AcH\] Die Disproportionierung von Hydrazin zu Stickstoff und Ammoniak in obiger Reaktionsgleichung liefert einen Überschuss an zwei Elektronen, die für die Reduktion elementaren Kupfers zur Verfügung stehen. \(Ac^-\) steht für einen Acetatrest, der die Protonen der obigen Reaktion abpuffert und Essigsäure bildet. Die Essigsäure steht im Säure-Base-Austausch mit dem in der Reaktion freiwerdenden Ammoniak.

Rechts:
Um Silber in Lösung zu halten, ist Komplexierung mittels Ammoniak notwendig (Bildung des Diaminkomplex‘ \([Ag(NH_3)_2]^+\). Ähnlich der Kupferreduktion geht das Hydrazindiium-Ion (\(N_2H_6^{2+}\)) aus der eingesetzten Hydrazinsulfat-Lösung eine Disproportionierungsreaktion ein, wobei ein Überschuss an zwei Elektronen auftritt. \[2 [Ag(NH_3)_2]^+ + 2 N_2H_6^{2+} -> 2 Ag + N_2 + 6 NH_4^+ \] Diese Elektronen sind verfügbar für die Reduktion der Silberionen zu Silber in obiger Reaktionsgleichung, wobei der aus dem Diaminsilber-Komplex freigesetzte Ammoniak die überschüssigen Protonen des Hydraziniumions bindet.

Verweise auf Literatur bzw. Interessantes

Früher wurden durch diese Silber-Reduktion tatsächlich Silberspiegel hergestellt. Weiterhin wird diese Reaktion auch als Nachweis für reduzierende Gruppen (zum Beispiel Aldehyd- oder Ketogruppen in Zuckern) genutzt. Die entsprechende Lösung ist als Tollens-Reagenz bekannt.

Experiment 3: Umsetzung von p-Nitroanilin mit Schwefelsäure

Was sehe ich?

Beim Erwärmen des Gemisches aus konzentrierter Schwefelsäure und p-Nitroanilin wird zunächst eine Schwarzfärbung beobachtet. Anschließend kann eine beginnende Gasentwicklung beobachtet werden, gefolgt von dem explosionsartigen Heranwachsen einer schaumigen, schwarzen Schlange aus dem Gemisch.

Warum sehe ich das?

In Anwesenheit von konzentrierter Schwefelsäure polymerisiert p-Nitroanilin unter großer Volumenzunahme zu einem schwarzen, porösen Schaum, dessen genaue chemische Struktur nicht bekannt ist. Die Volumenzunahme kann dadurch erklärt werden, dass bei der Polymerisation Dehydration und Deaminierung eintritt und dabei entstehende Zersetzungsprodukte der freigesetzten Ammoniumsalze, zusammen mit Wasserdampf und Schwefeltrioxid einen starken treibenden Effekt auf das Polymer ausüben.

Verweise auf Literatur bzw. Interessantes

Zwar ist die genaue strukturelle Zusammensetzung des entstehenden Polymers nicht bekannt, aber es konnte die Anwesenheit von Sulfonsäuregruppen, sowie zahlreicher verschiedener stickstoffhaltiger funktionellen Gruppen nachgewiesen werden. Zudem ist das Produkt in der Lage, bei Raumtemperatur ca. 8 % seiner eigenen Masse an Kohlenstoffdioxid (\(CO_2\)) zu adsorbieren.

Experiment 4: Magnesium-Brand mit Kochsalz löschen

Was sehe ich?

Sie sehen eine helle Lichterscheinung, welche anschließend durch ein weißes Pulver gelöscht wird.

Warum sehe ich das?

Magnesium ist ein sehr unedles Metall und reagiert mit nahezu allen sauerstoffhaltigen Verbindungen unter starker Wärmeentwicklung. So brennt es mit heller Flamme auch an Luft. Zum Löschen wird Natriumchlorid (Kochsalz) verwendet, welches den Brand erstickt, da die Luftzufuhr unterbrochen wird.

Verweise auf Literatur bzw. Interessantes

In herkömmlichen Metallbrandlöschern findet genau dieses Prinzip Anwendung: Der Metallbrand wird mithilfe einer Mischung aus Natriumchlorid und Kaliumchlorid erstickt, indem die Mischung bei Temperaturen größer etwa 700 °C schmilzt und so das brennende Metall einschließt und den Kontakt zur Umgebungsluft abbricht.

Experiment 5: Holzspäne mit Natriumperoxid entzünden

Was sehe ich?

Sie sehen, dass sich Holzspäne bei Zugabe von Wasser entzündet und in einigen Sekunden abbrennt.

Warum sehe ich das?

Die Holzspäne wurde mit Natriumperoxid (\(Na_2O_2\)) vermischt. Dieses reagiert mit Wasser unter Bildung von Natronlauge und Wasserstoffperoxid (\(H_2O_2\)). Da die Reaktion stark exotherm ist, zerfällt letzteres in Sauerstoff und weiteres Wasser, weshalb eine Art Autokatalyse eintritt. Durch die Wärme entzündet sich die Holzspäne von selbst.

\begin{align} Na_2O_2 + 2 H2O &\rightarrow 2 NaOH + H_2O & (1)\\ 2 H_2O_2 &\rightarrow 2 H_2O + O_2 & (2) \\ 2 Na_2O_2 + 2 CO_2 &\rightarrow 2 Na_2CO_3 + O_2 & (3) \end{align}

Die Entstehung von Sauerstoff durch die Disproportionierung des Wasserstoffperoxids hat eine brandfördernde Wirkung und beschleunigt die Verbrennung der Holzspäne. Zusätzlich entsteht durch die Umsetzung des übrigen Natriumperoxids mit Kohlenstoffdioxid (welches aus der Verbrennung der Holzspäne stammt) weiterer Sauerstoff, der wieder brandfördernd wirkt. Die Reaktion beschleunigt sich somit von selbst.

Verweise auf Literatur bzw. Interessantes

Natriumperoxid kann unter anderem in Luftreinigungssystemen genutzt werden, um aus verbrauchter, \(CO_2\)-reicher Luft regenerierte, Sauerstoff-reiche Luft herzustellen.

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Wir wünschen allen eine besinnliche Adventszeit!